Die Engelwurz – Angelica archanaglica
Diese riesengroße aber in der Natur leider sehr selten gewordene alte Heilpflanze möchte ich Euch im Juli gerne näher bringen. Auf den ersten Blick durchaus mit dem Riesenbärenklau auch Herkulesstaude genannt zu verwechseln, birgt diese Pflanze ein immenses Heilpotential. Auch sie gehört zu den sogenannten Doldenblütlern, wie zu Beispiel auch der Holunder oder ihr naher Verwandter der Wiesenbärenklau (der im Gegensatz zur Herkulesstaude kein so hohes Gefahrenpotential hat). Vielleicht gelingt es mir mit diesem Beitrag zu erreichen, dass sie in dem ein oder anderen Garten Einzug halten darf. Sie wächst gerne in feuchten Gebieten, wer also eine feuchte sonnige Stelle mit viel Platz in seinem Garten hat: hier ist eine Pflanze die sich dort wohl fühlt.
Die Geschichte der Engelwurz
Die Engelwurz ist eine Pflanze, die aus dem hohen Norden kommt. In den skandinavischen Ländern wurde und wird sie schon sehr lange als Heil- und Nahrungsmittel genutzt. Da sie aber erst im Mittelalter von Mönchen in den Süden gebracht wurde, taucht sie zu Beispiel in den Aufzeichnungen der Hildegard von Bingen (1098 – 1179 nach Chr.) nicht auf. Die Mönche waren es auch, die der Engelwurz ihren Namen Angelica = Engel, archangelica = Erzengel, gaben. Angeblich soll ein Erzengel (die Literatur ist sich über den Namen uneins ob Michael oder Raphael) einem Gläubigen erschienen sein und ihm in der ersten Pestzeit in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Wurzel gegeben haben. Ihre große heilende Wirkung führte dazu, dass die Pestärzte die Wurzel als Schutz gegen die Ansteckung kauten.
Viel länger schon wurde sie aber von allen im Norden lebenden Menschen verehrt und als „Lichtbringerpflanze“ bezeichnet. Die Wikinger waren es wohl auch, die diese Pflanze in den „Süden“ brachten und somit in die Klostergärten, von wo aus eine Verwilderung in Form der Waldengelwurz (Angelica sylvestris) entstand. Die Engelwurz war bei den Wikingern der Göttin Freya geweiht, der Göttin der Liebe und des Lichtes, das was die Pflanze auch in der heutigen Zeit noch ausmacht.
Phytotherapeutischer Einsatz der Engelwurz
Das Erste an was heutzutage beim Engelwurz als Heilpflanze gedacht wird, ist ein Magenbitter. Viele dieser Getränke enthalten diese Pflanze als Zutat. Hierzu wird die Wurzel vor der Blüte, also im Winter des ersten bzw. im Frühling des zweiten Jahres ausgegraben, gewaschen, getrocknet und zu einem alkoholischen Auszug verarbeitet. Alternativ kann auch das Öl aus den Samen verwendet werden. Die Getränke regen Magensaft- und Bauchspeichelsekretion an, wodurch sie appetitanregend und verdauungsfördernd wirken. Sie „desinfizieren“ den Darm, helfen so gegen Blähungen, Völlegefühl, Magen-Darm-Beschwerden und regt die Gallesekretion zur besseren Fettverdauung an. Auch als Tee kann die Wurzel bei diesen Beschwerden angewendet werden. Hierzu die Wurzelstücke ca. 10 Minuten köcheln lassen. Bitte daran denken, dass dies bei geschlossenem Deckel geschieht, damit die ätherischen Öle nicht entweichen. Er wird dann eine halbe Stunde vor dem Essen (bei bekannten Beschwerden) oder alternativ nach dem Essen bei Völlegefühl getrunken. Eine Dosierung von 5 g/Tag sollte nicht überschritten werden, da auch die Engelwurz ähnlich der Herkulesstaude oder dem Johanniskraut Furocumarine enthält, die zu einer erhöhten Lichtempfindlichkeit führen.
Das aus den Wurzeln gewonnene ätherische Öl der Engelwurz wird zur Stärkung des Immunsystems bei Erkältungskrankheiten angewendet. In Form von Angelikabalsam kann es schon bei Säuglingen genutzt werden. Hier sollte aber nur der Rücken oder die Fußsohlen damit eingerieben werden. Die Furocumarine der Engelwurz wirken krampflösend und entspannend auf die glatte Muskulatur, womit man sie bei Bronchitis und Reizhusten sehr gut eingesetzt kann. Bei einer Sinusitis werden mit den Balsam die Nasenflügel eingerieben, bei Erwachsenen und älteren Kindern auch unter der Nase. Er schützt die empfindliche Schleimhaut, wirkt abschwellend und lässt „die Nase lauften“, was gerade bei festsitztendem Schnupfen Erleichterung bringt.
Wenn eine Erkältung im „Anflug“ ist, sollte man die Fußsohlen mit Anglikabalsam einreiben, warme Socken anziehen und sich ausruhen. So wird das Immunsystem gestärkt und die Erkältung besser und schneller überstanden.



Die Fotos sind bei den Häusern des Wikinger Museums Haithabu nahe Schleswig entstanden, wo ein Garten mit für die Zeit typischen Pflanzen angelegt ist. Ein Anzeichen dafür, dass diese Pflanze auch bei Ausgrabungen gefunden wurde.
Bei eigenem Anbau und dem Ernten sollten Handschuhe getragen werden um sich gegen die Furocumarine zuschützen.
Viel Erfolg
Eure Charlotte